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Architekten- und Bauleitervollmacht

13.10.2022

Ein vom Bauherrn beauftragter Architekt oder (auch angestellter) Bauleiter ist grundsätzlich nicht berechtigt, im Namen des Auftraggebers Verträge zu schließen oder Nachträge zu beauftragen. Es bedarf vielmehr einer Vollmacht, die allerdings stillschweigend auch dann angenommen werden kann, wenn der Auftragnehmer annehmen darf, der Auftraggeber kenne und dulde das Verhalten des Architekten bzw. des Bauleiters.

Dies hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 18. September 2020 (Az.: 29 U 99/17) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 4. August 2021 (Az.: VII ZR 158/20) zurückgewiesen.

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RA Michael Seitz

Der Fall:
AN begehrt von AG Restwerklohn in Höhe von knapp 54.000,00 EUR für Abbrucharbeiten. AG hatte den Bauleiter „B“ eingesetzt. B hatte den AN nachträglich auch mit den Abbrucharbeiten beauftragt, für die er jetzt Werklohn begehrt. Das Landgericht wies die Klage ab, da AN nicht habe beweisen können, dass B den AG bei dem Vertragsschluss über die Abbrucharbeiten wirksam vertreten habe. AN legt Berufung ein.

Das Urteil:
Die Klage des AN hat Erfolg. Zwar sei B nicht ausdrücklich bevollmächtigt worden, jedoch habe er mit einer Anscheinsvollmacht gehandelt, als er den AN während der laufenden Arbeiten bat (auch noch) Abbrucharbeiten durchzuführen. Das ergebe sich daraus, dass B während des gesamten Bauvorhabens Ansprechpartner für alle Baubeteiligten und damit auch für AN gewesen sei, er an allen Baubesprechungen teilgenommen habe, die Abbrucharbeiten kurzfristig notwendig geworden seien und die Durchführung dieser Arbeiten durch den AN für AG auch offensichtlich gewesen sei.

Fazit:
Im Grundsatz - und das übersehen Auftragnehmer häufig - ist weder ein Architekt noch ein angestellter Bauleiter des Auftraggebers befugt, den Vertrag zu ändern, also insbesondere solche Arbeiten zu beauftragen, die zu einem Nachtrag (also zu einer Nachforderung von Werklohn) führen, es sei denn der Bauleiter/Architekt ist entweder im Vertrag oder ausdrücklich (und d. h. in der Regel schriftlich) vom AG bevollmächtigt worden. Ausnahmsweise kann von einer Bevollmächtigung des Architekten/Bauleiters auch ohne ausdrückliche Vollmacht dann ausgegangen werden, wenn AG gegenüber dem AN zurechenbar den Rechtsschein gesetzt hat, der Bauleiter sei bevollmächtigt. Dafür reichen jedoch nach überwiegender Ansicht die typischen Tätigkeiten eines Bauleiters (Teilnahme an Baubesprechungen, Ansprechpartner für die Baubeteiligten usw.) nicht aus. Vielmehr müssen besondere Umstände bei der Duldungsvollmacht hinzutreten, beispielsweise die Tatsache, dass der AG bereits mehrfach solche Aufträge, durch den Bauleiter erteilt hat. Insofern ist die hiesige Entscheidung problematisch. AN hat hier Glück gehabt, denn das OLG hat hier die Voraussetzungen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sehr weit ausgelegt.

  Quelle: RA Michael Werner


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